Waldverjüngung ohne Schutz ist praxisfern
In der Anhörung am 01. März zur Bundesjagdgesetz-Novelle im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft haben ausgewiesene Wildbiologen Stellung genommen. Ihr Fazit: Eine generelle Verjüngung des Waldes ohne Schutzmaßnahmen ist praxisfern. Sie geht sogar zulasten heimischer Wildtiere - der Tierschutz ist ebenso in Gefahr wie die Alters- und Sozialstruktur von pflanzenfressenden Arten. Die Experten waren sich weitgehend einig, dass eine enge Zusammenarbeit der Akteure vor Ort ausschlaggebend ist und die Lebensraumqualität eine entscheidende Rolle spielt. Der Deutsche Jagdverband (DJV) begrüßt diese klare Position und fordert den Gesetzgeber zu Änderungen im Entwurf auf: Lediglich eine Naturverjüngung von standortgerechten Hauptbaumarten des Wirtschaftswaldes sollte möglichst ohne Schutzmaßnahmen funktionieren. Dort wo Forstpflanzen für den Waldumbau gepflanzt oder gesät werden müssen, ist Schutz notwendig - schon allein vor konkurrenzstarken Pflanzen wie Brombeere, Adlerfarn oder drohender Vergrasung. Der DJV lehnt eine Festlegung von Abschusszahlen allein auf Basis von Verbissgutachten entschieden ab und fordert eine umfassende Lebensraumbewertung.
Professor Sven Herzog von der Technischen Universität Dresden betonte, dass der Waldumbau keineswegs durch ein neues Jagdgesetz zu lösen sei. Bereits seit einem halben Jahrhundert werde erfolglos versucht, durch immer mehr Jagddruck forstliche Probleme zu lösen. Professor Hackländer von der Universität für Bodenkultur Wien ergänzte: Der Entwurf für die Bundesjagdgesetznovelle vereinfache komplexe Zusammenhänge und propagiere Pauschallösungen. Es sei Irrglaube, dass allein erhöhter Jagddruck den Waldumbau ermögliche. Hackländer plädierte für eine großflächige wildökologische Raumplanung, die auch Ruhezonen und Lebensraumverbesserung umfasst. Der DJV begrüßt diese Position ausdrücklich und wehrt sich gegen Vorschläge von Dietrich Mehl von der Landeswaldoberförsterei Reiersdorf, die Abschussplanung noch kleinflächiger zu gestalten als bisher. Insbesondere bei rudelbildenden Wildtieren steigt damit das Risiko, dass Alters- und Sozialstrukturen zerstört werden. Der niedersächsische Landtagsabgeordnete und DJV-Vizepräsident Helmut Dammann-Tamke betonte in seiner Stellungnahme: Ein kluges Konzept sei eine Mischung aus Wildruhezonen, Besucherlenkung und Aufwertung des Lebensraums. Dies sei wichtig vor dem Hintergrund der zunehmenden Störungen im Wald. Die Jagd in Deutschland sei bereit, ihren Beitrag für klimafitte Wälder zu leisten, sei aber nicht der einzige Lösungsansatz.
Die Problemzone des deutschen Waldes umfasst über ein Viertel der Gesamtfläche: Nadelholzmonokulturen. Über Naturverjüngung entstehen dort wieder monotone Nadelwälder. Diese waldbaulichen Fehler der Vergangenheit provozieren Verbissschäden, sind aber nicht von Reh und Hirsch zu verantworten. Es muss also gepflanzt werden, damit widerstandsfähige Mischwälder entstehen - nach Expertenansicht rund 6 Milliarden Bäume. Die originäre Aufgabe der Forstwirtschaft ist es, geeignete Baumarten auszuwählen und Waldschutzmaßnahmen durchzuführen - etwa gegen Insekten, konkurrierende Pflanzen oder Pflanzenfresser. In den vergangenen drei Jahrzehnten haben die Forstbetriebe allerdings über 60 Prozent der Stellen abgebaut, da wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund gestellt wurden. Hochtechnisierte Holzerntemaßnahmen finden mittlerweile ganzjährig statt und führen neben Jagd- und Freizeitdruck zu weiteren Störungen der Wildtiere.
Einen Mitschnitt der Anhörung gibt es hier.