Artenschutz und Tierrechte sind unvereinbar

Über philosophische Ansätze zum Mensch-Tier-Verhältnis und die Auswirkungen auf Jagd und Artenschutz hat der DJV mit dem Schweizer Publizisten Alexander Schwab gesprochen. Das 2-teilige Interview gibt Einblicke in die bizarre Gedankenwelt der Tierrechtsbewegung. Den zweiten Teil des Interviews gibt es auf jagdverband.de.

 

Tierbefreiung, Tierrechte und Tierschutz: Zwischenzeitlich gibt es viele Theorien, die sich damit beschäftigen, wie Menschen den Tieren auf diesem Planeten ein besseres oder gerechteres Leben ermöglichen könnten. Treibende Kraft sind vor allem Philosophen, die seit den späten 1970er Jahren die Sache der Tiere ideell befeuern. Die Tierrechtsbewegung ist ein Sammelbecken verschiedenster weltanschaulicher Strömungen, aber die wesentlichen praktischen Forderungen bleiben gleich: Tiere haben ein Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück. Die konsequente Folge ist das Bestreben, sämtliche Nutzung von Tieren abzuschaffen, denn diese tangiert und verletzt immer deren vermutete Rechte. Ungeachtet dessen sind die Glücksbestrebungen von Wolf und Reh kaum unter einen Hut zu bringen sind. Aber es gibt ja die Idee vom "Paradise Engineering", also die genetische Manipulation von Fleischfressern. Wie weit die Gedanken der Tierrechtsbewegung bereits verbreitet sind, erläutert der Schweizer Publizist Alexander Schwab im DJV-Interview.

 

DJV: Verbot von Zirkustieren, Einbrüche in Ställe oder Anti-Jagd-Demos: Welche eigentlichen Ziele verfolgt die Tierrechtsbewegung?

Alexander Schwab: Das Ziel der Tierrechtsbewegung ist es, sämtliche Nutzung von Tieren abzuschaffen. Dazu gehören natürlich auch Jagd, tierische Landwirtschaft oder Zoos - und die erzwungene weltweite Einführung des Veganismus. Die konsequente Durchsetzung von Tierrechten würde auch bedeuten, dass zum Beispiel die Ausbildung von Blindenhunden nicht mehr möglich wäre, weil kein Hund aus freien Stücken zum Blindenhund wird. Und so hat der Tierrechtsphilosoph Klaus Petrus folgerichtig zu Protokoll gegeben, dass die Ausbildung eines Blindenhundes der Versklavung eines Menschen gleichkomme. Gleiches gilt natürlich für Lawinen-, Polizei- und Jagdhunde.

Wie weit ist die Philosophie der Tierrechtsbewegung bereits verbreitet?

Die eine Tierrechtsphilosophie gibt es nicht, aber die Tierrechtsbewegung, hauptsächlich getragen von Philosophen, Theologen, Soziologen, Psychologen und Juristen.  Sie hat über die Jahre aus den Universitäten heraus den Weg in politische Beratungsgremien und Ethikkommissionen gefunden. Dort hat sie nachweislich großen Einfluss, was sich nicht nur in der Gestaltung von Jagdgesetzen zeigt, sondern auch in der EU-Verfassung, wo Tierrechte im Grundsatz über die Verträge von Lissabon festgehalten sind.

Und wie sieht es in der Schweiz aus?

In der Schweiz ist die „Würde des Tieres“ in der Verfassung verankert, was ebenfalls ein großer Erfolg der Tierrechtsbewegung ist. Dieses Würdekonzept soll nach dem Willen von einigen Mitgliedern der entsprechenden Ethikkommission auch auf Pflanzen übertragen werden, was Tomatenspaghetti zum moralischen Problem machen würde. Tierrechtlich motiviert ist auch die aktuelle Initiative im Kanton Zürich mit dem Ziel, die bürgerliche Jagd (Volksjagd, Milizjagd) abzuschaffen – die Initianten hatten die nötigen 6000 Unterschriften im Nullkommanichts zusammen. Ebenso problemlos verlief die Unterschriftensammlung für die Initiative „Grundrechte für Menschenaffen“ im Kanton Basel Stadt.

Nach Meinung von Tierrechtlern haben Tiere ein Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück. Im wahren Leben frisst allerdings der Wolf das Reh und der Waschbär gefährdet den Uhu. Wie verhält es sich da mit den tierischen Rechten?

Es ist eine Form der intellektuellen Wohlstandsverwahrlosung, Ideologie über Realität zu setzen. Die Vorgänge in der Natur drehen sich im Wesentlichen ums Fressen und Gefressen werden sowie um Fortpflanzung. Die „Glücksvorstellungen“ von Tieren sind eh nicht harmonisierbar. Das durch die Evolution gegebene Wolf-Reh-Dilemma lässt sich „natürlich“ nicht lösen. Die Tierrechtsbewegung hat große Probleme damit, die Natur so zu nehmen, wie sie ist. Also auch zu akzeptieren, dass der Mensch in seiner Lebensgrundlage handeln muss, um zu überleben.

Und wie will die Tierrechtsbewegung dieses Dilemma lösen?

Philosophisch betrachtet kann sie es nicht lösen, denn die Evolution kann man nicht mit Wunschdenken und Haarspaltereien im Nanobereich aushebeln.

Es gibt ja auch das Konzept des "Paradise Engineering" ...

Genau. Der britische Philosoph David Pearce ist der Überzeugung, dass wir das Leiden auf der Welt komplett verschwinden lassen könnten, indem wir die Raubtiere genetisch zu Pflanzenfressern umprogrammieren und damit paradiesische Zustände herstellen: Der Wolf grast friedlich neben dem Reh. Die technischen Voraussetzungen dafür seien bereits gegeben, meint Pearce. Das sind gefährliche Allmachtsfantasien. Das ist der Stoff, aus dem die Albträume gemacht sind.

Die Bundesregierung hat sich in internationalen Abkommen zum Erhalt der biologischen Vielfalt verpflichtet. Wie soll Artenschutz in den Augen der Tierrechtsbewegung aussehen?

Keine Ahnung, dazu müssten Sie einen Tierrechtsphilosophen befragen. Für führende Köpfe der Tierrechtsbewegung steht das Lebensrecht des einzelnen Tieres über jeglichen ökonomischen oder ökologischen Interessen. Das bedeutet im Wesentlichen das Ende aller jagdlichen Eingriffe in der Kulturlandschaft. In dieser Selbstregulierungsromantik werden als Konzession an die Realität einige Ausnahmen gemacht etwa Notwehr oder Bewahrung einer Art vor der kompletten Ausrottung. Erst dann also sind Eingriffe legitim, wenn das Haus schon lichterloh brennt. Wäre ein Lawinenschutzwald durch Rotwild gefährdet, das an Bäumen knabbert, stünde das Lebensrecht einzelner Tiere über dem Ziel den Schutzwald zu erhalten, denn das Rotwild ist nicht von der Ausrottung bedroht. Die Realitätsverweigerung der Tierrechtsbewegung ist zutiefst menschenfeindlich. Außerdem stehen die genannten und andere Ausnahmen, genau betrachtet, im Widerspruch zum grundsätzlichen Lebensrecht eines Einzeltieres. Artenschutz und Tierrechte sind unvereinbar.

Den zweiten Teil des Interviews finden Sie hier.

Zur Person Alexander Schwab

Alexander Schwab (1953) wuchs in Brugg in der Schweiz auf, besuchte das College in Swindon, England und hat in Aberdeen, Schottland, Philosophie und Geschichte studiert. Beruflich war er in den Bereichen Marketing, Kommunikation und Beratung engagiert. Seit 2003 ist Schwab als Autor, Publizist und Verleger tätig. In der englischsprachigen Welt ist er vor allem durch  „Hook, Line and Thinker – Angling & Ethics“ (2003) und den Bestseller „Mushrooming Without Fear“ (2006) bekannt. Auf Deutsch erschienen sind 2016 „Werte, Wandel, Weidgerechtigkeit 2.0“ und „Jagen für Nichtjäger“. Mehr Infos zu Autor und Büchern: www.eichelmändli.ch

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