Wohin nur mit dem Schlüssel?

Für viel Furore im jagdlichen Blätterwald sorgte im Spätsommer eine Pressemeldung des Oberverwaltungsgerichtes Münster, die häufig als Verbot von Doppelbartschlüsseln als Verschließmechanismus für Waffenschränke gedeutet wurde.

 

Nun birgt eine solche Einschätzung anhand der vorveröffentlichten Presseerklärung immer die Gefahr, den Sachverhalt und/oder die Erwägungsgründe des Gerichts nicht vollständig richtig oder gar fehlzudeuten. Nachdem jetzt die Urteilsgründe vorliegen, ist es möglich die Entscheidung des Gerichtes in ihrer Gesamtheit einzuordnen und auch auf ihre praktischen Auswirkungen hin zu analysieren.

 

Der Sachverhalt

Was war passiert?
Bei dem Kläger, einem Jäger, wurde während einer Urlaubsabwesenheit eingebrochen. Dabei öffneten die Einbrecher den Waffenschrank und entwendeten daraus zwei Kurzwaffen, zwei Waffenmagazine sowie mehrere Packungen Munition. Seine Waffen, neben den Kurzwaffen auch acht Langwaffen, bewahrte der Jäger in seinem Wohnhaus in einem Waffenschrank der Sicherheitsstufe B auf, der mittels eines Schlüssels zu verschließen war. Die Kurzwaffen bewahrte er innerhalb dieses Schranks in einem gesonderten, ebenfalls mit einem Schlüssel verschließbaren Fach auf.

Die Schlüssel zum Waffenschrank lagerte er in einem etwa 30 cm x 40 cm x 35 cm großen und etwa 40 kg schweren nicht zertifizierten Tresor aus dick- und doppelwandigem Stahl, der über ein Zahlenschloss verfügte. Die zuständige Behörde widerrief ihm daraufhin die waffenrechtlichen Erlaubnis und begründete dies mit der fehlenden Zuverlässigkeit durch einen Aufbewahrungsverstoß hinsichtlich der Schlüssel.

Die Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen den Widerruf blieb erfolglos. Die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht führte zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils. Eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.

 

Urteilsgründe
Das Berufungsgericht sah in der Art und Weise, wie der Jäger seine Waffen aufbewahrt hat zwar einen Verstoß, dieser sei ihm jedoch nicht vorzuwerfen. Eine Unzuverlässigkeit gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG läge damit nicht vor. Unzuverlässig ist derjenige, bei dem Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgegangen wird oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden.

Indem der Jäger die Schlüssel in einem Tresor aufbewahrt hat, der nicht den entsprechenden gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung seiner Waffen und Munition genügte, hat der Jäger objektiv gegen die gesetzlichen Anforderungen an eine sorgfältige Aufbewahrung von Waffen und Munition verstoßen (Rn. 36).

Für die Aufbewahrung von Waffen und Munition gelten der § 36 Abs. 5 WaffG i. V. m. § 13 AWaffV (in der alten Fassung: § 36 Abs. 1 WaffG). Diese Normen enthalten insbesondere Vorgaben zur Aufbewahrung von Waffen und Munition und die erforderlichen Sicherheitsstandards von Waffenschränken. Es gibt jedoch keine konkreten gesetzlichen Vorschriften dazu, wie mit einem Schlüssel für das Behältnis, in dem Waffen oder Munition aufbewahrt werden, zu verfahren ist. Vielmehr müssen die Schlüssel so aufbewahrt werden, dass der Zugriff Dritter ausgeschlossen ist, sei es durch Mitsichführen, Verschluss oder andere Maßnahmen.

Erst wenn die tatsächliche Gewalt über Waffen und Munition nicht mehr ausgeübt werden, sind weitergehende Sicherungsvorkehrungen nötig. Daraus ergibt sich, dass es auch für einen Schlüssel zum Waffen- oder Munitionsbehältnis entsprechender Sicherungsmaßnahmen bedarf, wenn und solange der Waffen- oder Munitionsbesitzer die tatsächliche Gewalt über diesen Schlüssel nicht ausübt, sondern diesen anderweitig verwahrt. Anderes würde es dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen zu den Anforderungen an die Behältnisse, in denen Waffen und Munition aufbewahrt werden, zuwiderlaufen (Rn. 45).

Da der Gesetzgeber die Möglichkeit einräumt, Waffen und/oder Munition in einem Behältnis aufzubewahren, das mit einem Schlüssel verschlossen wird, ist der Schlüssel zu diesem Behältnis seinerseits aber wiederum in einem Behältnis aufzubewahren, das mindestens diesen gesetzlichen Sicherheitsstandards entspricht. Im Ergebnis führt dies dazu, dass das gesamte Sicherheitsniveau der Verwahrung auf dasjenige sinkt, auf dem die Schlüssel (als „schwächstes Glied der Kette“) verwahrt werden. Andernfalls liefen die gesetzlich vorgeschriebenen Standards für Behältnisse zur Aufbewahrung von Waffen und Munition ins Leere (Rn. 46).

Da konkretere gesetzliche Vorgaben, wie ein Schlüssel aufzubewahren ist, fehlen und es bisher keine ober- oder höchstrichterliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte gibt, denen entsprechend hohe Vorgaben zu entnehmen (gewesen) wären, und an welcher sich Waffenbesitzer hätten orientieren können, war der Aufbewahrungsverstoß dem Jäger jedoch in subjektiver Hinsicht nicht als im besonderen Maße schwerwiegend vorzuwerfen. Aufgrund dessen ausnahmsweise kann nicht auf eine grundlegend mangelhafte Einstellung des Jägers in Bezug auf die Beachtung waffenrechtlicher Bestimmungen geschlossen werden (Rn. 51).

Es sei lebensfremd zu erwarten, dass der Waffen- und Munitionsbesitzer stets die tatsächliche Gewalt über die Schlüssel zum Waffen- oder Munitionsbehältnis einschließlich etwaiger Zweitschlüssel ausüben können. Ohne entsprechende gesetzliche oder richterliche Orientierungshilfen, musste es sich einem juristischen Laien nicht ohne weiteres aufdrängen, dass die Aufbewahrung des Schlüssels den gleichen gesetzlichen Sicherheitsstandards zu entsprechen hat, wie die Aufbewahrung der in dem Waffenschrank verwahrten Waffen und Munition selbst. Dies ergebe sich, so das Gericht, nur unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs der Aufbewahrungsvorschriften und ihres Sinn und Zwecks (Rn. 52).

Zudem hält das Gericht dem Jäger zugute, dass er es zumindest nicht unterlassen hat Vorkehrungen zu treffen, dass ein Zugriff durch unbefugt Dritte auf die Schlüssel jedenfalls nicht unerheblich erschwert wurde.

 

Einordnung

Das Problem der Schlüsselaufbewahrung ist so alt wie die gesetzliche Regelung zur Aufbewahrung in Waffenschränken selbst. Auch hat es hierzu bereits viele verschiedene Urteile gegeben. Häufig hatten diese lediglich das Versteck des Schlüssels zum Gegenstand und dem Anwender darüber eine gewisse Handhabung in der Praxis aufgezeigt.

In lediglich zwei erstinstanzlichen Urteilen, die beide in der Entscheidung auch zitiert werden, haben sich Gerichte mit der Frage der Aufbewahrung von Schlüssel in eigenen Behältnissen befasst. Das Kölner Urteil ist erst nach dem Vorfall ergangen (Februar 2019). Damit lag zumindest keine ausreichende Grundlage vor, so das Gericht in seiner Entscheidung, in diesem Fall ein vorwerfbares Verhalten anzunehmen.

Der Jäger hat also seine Zuverlässigkeit nur dadurch nicht verloren, als dass er es schlicht nicht hätte besser wissen können. Zudem hat er sich zumindest Gedanken gemacht, den unbefugten Zugriff auf den Schlüssel zu erschweren.

Bei vergleichbaren Szenarien dürften es Kläger in Zukunft mit dem Urteil schwer haben, mit ihren Argumenten durchzudringen. Dies sicher auch vor dem Hintergrund der großen Beachtung der Entscheidung in den entsprechenden Medien.

 

So nachvollziehbar und logisch die Begründung des Gerichts auch ist, so fraglich ist sie aus juristischer Sicht. Dem Gericht ist es möglich, eine Regelungslücke im Gesetz zu schließen. Dafür muss sie jedoch auch planwidrig sein. Ohne zu sehr in die juristische Methodenlehre abzuschweifen, sei der Exkurs erlaubt. Eine planwidrige Regelungslücke liegt vor, wenn das Gesetz keine Regelung für einen Fall bereithält, für die es nach dem ihm zugrunde liegenden Konzept, geschlossen aus Systematik, Historie und Telos, eine Regelung erwarten lassen würde. Der Gesetzgeber hatte jedoch bei unzähligen Änderungen zum Waffenrecht die Möglichkeit diese Lücke zu schließen und hat dies wohl bewusst nicht getan.

Der vorliegende Fall ist mit dem Urteil beendet. Und ob das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis die Aufbewahrung des Schlüssels anders beurteilen würde (also die Aufbewahrung in einer einfachen Geldkassette), bleibt mehr als fraglich. Klarheit kann in dieser Angelegenheit nur der Gesetzesgeber bringen, indem er sich eindeutig positioniert.

All dies hilft dem Rechtsanwender nicht weiter, da er sich täglich mit dem praktischen Problem der Schlüsselaufbewahrung konfrontiert sieht.

 

Gesetzlich zulässig ist die Aufbewahrung von Waffen in einem Waffenschrank mit Schlüssel auch weiterhin. Es bleibt lediglich dem Anwender überlassen, sicherzustellen das es zu keinem unbefugten Zugriff kommt. Ein gefundenes Versteck war schlicht nicht sicher (genug). In der Praxis wird sich die Schlüsselaufbewahrung in einem extra Behältnis auf Fälle verdichten, wo zwischen Schlüsselaufbewahrung und Waffenschrank kein räumlicher Zusammenhang besteht. Dies sind etwa Fälle, wo der Waffenschrank in der Jagdhütte steht (Achtung! Beschränkung der Höchstzahl und Schutzniveau beachten) und der Schlüssel sich am Wohnort befindet. Auch denkbar ist, dass der Schrank am bewohnten Zweitwohnsitz steht und der Berechtigte den Schlüssel am Erstwohnsitz aufbewahrt.

 

Wer ganz sicher gehen will, kauft sich entsprechend seines Schutzniveaus einen kleinen Würfel (Widerstandsgrad 0 oder I) mit biometrischem (meistens Fingerabdruck) oder mnemonischem (Zahlenkombination) Verschlussmechanismus und bewahrt dort den Schlüssel auf. Dies bedeutet zwar eine finanzielle Aufwendung, schützt aber vor Erklärungsnöten bei einer Waffenkontrolle. Über jegliche Diskussion erhaben ist die Waffen- und Munitionsaufbewahrung in einem Schrank mit Widerstandsgrad I und einem solchen Verschlussmechanismus.

OVG Münster, Urteil vom 30.08.2023 – Aktenzeichen: 20 A 2384/20

RA Peter Schmidt
Mitglied LJV Berlin

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